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Ein harter Beginn
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Autor: Bodo Doering Eingestellt am: 11.11.2006
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"Mein Name ist Hans Krauß, ich bin freier Bewerber und soll mich heute hier zum Dienst melden."
"Ja, ja, stimmt ja, hatte ich ganz vergessen", und der Chef tippte sich an die Stirn. "Ja, waren Sie schon einmal bei einer Obduktion dabei, Herr Krauß? "
" Nein, und ich weiß auch nicht was das ist", entgegnete höflich der junge Mann.
" Also, dann fahren Sie mal mit. Sie fangen doch auch in einer Woche mit Ihrem Einführungslehrgang auf der Polizeischule an? "
" Ja, für drei Monate, dann komme ich wieder hier nach Bad Orb zurück, zur weiteren Ausbildung. "
" Na dann können Sie mal zusehen, wie das bei der Obduktion so vor sich geht. Jedenfalls dürften Sie dann der Einzige in Ihrem Lehrgang sein, der schon bei einer Obduktion dabei war, und gleich am ersten Tag, und passen Sie genau auf, was da gemacht wird. Der Kollege wird Sie über den Anlass aufklären. "
Während wir nach Gelnhausen zum Sezierraum des Friedhofgebäudes fuhren, berichtete ich über den Ermittlungsstand und darüber, dass die Staatsanwaltschaft die Feststellung der genauen Todesursache durch die Gerichtsmedizin angeordnet hatte, und wie dies so ungefähr vor sich gehen werde. Der junge Mann blieb schweigsam.
Als wir am Friedhofsgebäude angekommen waren, fuhr mit uns ein PKW aus Frankfurt auf das Gelände. Zwei Männer verließen den Wagen und stellten sich vor: Prof. Dr. Abraham und Sektionsgehilfe Waldner. Auch zwei amerikanische Polizisten waren anwesend. Auf dem Sektionstisch lag nackt der tote Amerikaner.
Hans Krauß stand dicht am Fußende des Tisches, an dem der Gerichtsmediziner mit seinem Gehilfen seine Arbeit begann und die Drei-Höhlen-Öffnung vornahm, Kopf, Brust- und Bauchraum, und dabei seine Untersuchungsergebnisse in ein kleines Tonbandgerät sprach.
Ich beobachtete den Neuen, wie er wohl auf den Anblick und die Geräusche reagieren würde und machte mir meine Gedanken. Bis jetzt stand der junge Mann ja tapfer am Fußende, vielleicht etwas zu blass, sah aber genau hin und in den toten, offenen Körper hinein und verzog keine Miene.
"Ich hätte das nicht angeordnet", ging es mir durch den Kopf, "so direkt am ersten Tag einen jungen Menschen eine Sache miterleben lassen, die für so manchen gestandenen Polizisten auch nach vielen Jahren noch keine Alltäglichkeit ist! Ich weiß nicht…" Aber Hans Krauß stand eisern.
Der Professor hatte ebenfalls die stramme, aufrechte Haltung des angehenden Kriminalbeamten bemerkt, schaute zu ihm hin und zu mir und grinste. Dann wandte er sich an Krauß und meinte: "Nun, junger Mann, ein bisschen Platz müssen Sie mir schon machen, sonst kann ich ja nicht an der Leiche weiter arbeiten." Dann gab der Obduzent sein Untersuchungsergebnis bekannt und berichtete, dass als Todesursache tatsächlich das kleine kurze Küchenmesser infrage komme, dessen Klinge, mit Wucht auf den Körper auftreffend, das Herz erreicht und ein Blutgefäß zertrennt hatte.
Nein, eine Leiche habe er bislang noch nicht gesehen, dies sei seine erste, meinte Hans Krauß gedrückt, als wir zurück zur Dienststelle fuhren. Er habe immer nur gehofft, dass ihm nicht übel werde und er umfalle wie ein Sack, das wäre ihm sehr peinlich gewesen. Diese Sache heute, die sei für ihn schon ein harter Beginn in seinem neuen Beruf. So hätte er sich das nie vorgestellt.
"Könnte ein tüchtiger Beamter werden", dachte ich anerkennend und schaute zu ihm hinüber, "vielleicht sogar Direktor" und ahnte dabei nicht, wie Recht ich behalten sollte.
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"Ich entschloß mich von dem Standpunkt meiner eigenen
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fühlte. Und das war meine Rettung...
... Was ist Original? Alles was wir tun, alles was wir
Denken existiert bereits und wir sind nur Vermittler. Das ist
alles. Wir machen von dem Gebrauch was bereits in der Luft ist."
Henry Miller, aus einem Interview in den 60-iger Jahren
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