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Tödliche Stiefel
Autor: Ulrich Hinse
Eingestellt am: 15.07.2006
Dieser Text im pdf-Format: Toedliche_Stiefel.PDF (86 kByte)
Während die Mitglieder der rechtsextremistischen Kameradschaft Adlerhorst, geschützt von einer Hundertschaft Bereitschaftspolizei, ihren Demonstrationsmarsch durch die Stadt durchführten, hatte die militante Gruppe einer autonomen Wohngemeinschaft die Versammlungsräume gestürmt und angezündet. Die zwei "Babyskins", die sich als Wache dort aufgehalten hatten, waren zusammengeschlagen worden. Mühsam hatten sie den Vorfall über Handy an ihren Führer gemeldet und sich ins Krankenhaus geschleppt.
Egon Koors, der in der Kameradschaft für die Ausbildung der jungen Kameraden zuständig war, hatte sich sofort aus der Demo verabschiedet, um direkt zum Krankenhaus zu laufen. In der Notaufnahme erkundigte er sich nach den jungen Kameraden in dem er vorgab, der Bruder von einem der Bengel zu sein. Von einer Krankenschwester wurde ihm mitgeteilt, dass die Jungen im Behandlungszimmer noch versorgt würden, aber in wenigen Minuten fertig seien.
Egon setzte sich auf einen freien Stuhl in der Wartenische auf dem Flur und zwar so, dass er die Tür des Behandlungszimmers immer im Auge hatte.
Die anderen Wartenden taten so, als ob sie den Skinhead in seiner schwarzen, aufgekrempelten Jeans, unter der die weiß beschnürsenkelten, auf Hochglanz polierten Springerstiefel nicht zu übersehen waren, dem Lonsdale-T-Shirt, und der offen stehenden Bomberjacke nicht bemerkten. Sie vertieften sich in die ausgelegten Zeitungen oder die Seniorenbravo mit Namen Apotheken-Rundschau. Egon störte sich nicht daran. Er machte es sich auf dem Stuhl bequem, indem er seine Beine weit von sich streckte. Er dachte auch nicht daran, sie einzuziehen, als eine ältere Patientin, die in eines der Behandlungszimmer gerufen wurde, Schwierigkeiten hatte, darüber hinwegzusteigen. Einen kurzen Moment hatte er sich überlegt, ihr ein Bein zu stellen. Viel hätte ja nicht passieren können, sie war ja ohnehin schon im Krankenhaus. Aber dann ließ er es doch bleiben.
Sein Verhalten hatten die anderen Wartenden durchaus registriert. Aber niemand wagte es, ihn zurechtzuweisen.
Nach einer Viertelstunde waren Ingo und Dietmar verarztet und kamen gemeinsam aus dem Behandlungszimmer. Sie schlichen Richtung Ausgang. Als sie Egon erkannten, dass heißt, Ingo erkannte ihn, Dietmar hatte noch so seine Schwierigkeiten mit dem Erkennen von Personen, waren sie froh, dass er sie abholte. Auf dem Weg nach draußen erzählten sie ihm von dem Überfall. Egons Miene verfinsterte sich zusehends. Er schwor fürchterliche Rache.
Inzwischen war es dunkel geworden. Die drei gingen quer durch die Innenstadt, um sich auf der anderen Seite in der Gartenlaube eines Kameraden mit den Freunden zu treffen. Sie hatten nicht vor, Bekanntschaft mit der Polizei zu machen, die nach der Demonstration noch verstärkt die Stadt bestreifte. Deshalb wichen sie in eine Toreinfahrt aus, als sie einen Streifenwagen erkannten, der ihnen langsam entgegenkam. Aus dieser Einfahrt heraus beobachteten sie, wie die Polizisten einen Sprayer einsammelte, der gerade eine Hauswand mit einem Tac verziert hatte.

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