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Der Gendarm und die Nymphe
Autor:
Eingestellt am: 22.04.2003
Dieser Text im pdf-Format: gendarmundnymphe.pdf (14 kByte)
Am frühen Nachmittag dieses Hitzetages vor fast fünfzig Jahren war die Luft so elend heiß, dass die Spatzen das Staubbaden aufgegeben hatten. Zwischen den Bäumen tropfte die Sonne wie glühendes Blei vom Himmel. Die Männer liefen in Hemden und kurzen Hosen herum, soweit sie sich die luftige Bekleidung erlauben konnten, die Frauen in dünnen, durchsichtigen Kleidern. In den Büros hatten sie schon frühmorgens die Jacken und Krawatten abgelegt. Wer konnte, nahm hitzefrei, wie die stets überarbeiteten Lehrer und die dankbar lärmenden Schüler. Viele Leute flüchteten auf Fahrrädern in die schattigen, immer noch kühlen Wertachauen, legten sich zwischen der unermüdlich tauchenden Wasseramsel und den in den Altwässern stoisch wartenden Fischreihern auf die trockenen Kiefernadeln oder zwischen Forellen und Huchen in das glasklare, hellgrün schimmernde Wasser am Rand der Schotterbänke.
Alle suchten Kühlung und Frische.
Der Briefträger konnte nicht kneifen. Er schob die Mütze aus der Stirn und schwitzte sich in seiner Ledertasche schräg gehend, von Haus zu Haus. Die Kraftfahrer mussten weiterhin über die Straßen fahren, deren Asphaltdecken schmolzen. die Gendarmen durften in leichten Sommerjacken streifen und fahnden.
In einem schuppenniedrigen Haus am südlichen Ortseingang lebte ein älterer, plattfüßiger, dunkelfettig schwartiger Mann, der – so schien es – Zeuge eines Kirchenleuchterdiebstahls gewesen sein könnte. Ein barocker Leuchter war am helllichten Tage aus der Wallfahrtskirche verschwunden. Vielleicht hatte der Schwartige etwas beobachtet, als er in diesen Tagen bei der Kirche arbeitete. Er galt damals noch als vertrauenswürdig. Erst nach vielen Jahren wurde bekannt, dass er in seiner arbeitsstillen Zeit bei den Bauern die Ställe enthexte.

Die Bewohner des erdgeschossigen Leichtbauhauses hatten offenbar den Kampf gegen die Hitze aufgegeben. Sie hofften auf die Kühlung nur noch durch den leichten, heißen Wind, der durch die Mulde strich, in der das Haus stand. Ihm hatten sie alle Fenster und Türen geöffnet. Die Haustür stand sperrangelweit offen, die Vorhänge wehten aus den Fensterhöhlen und auch die Türen, die inner rechts und links vom schattigen Hausflur abgingen, standen offen. Das Haus wirkte verlassen wie eine neoveristische italienische Filmkulisse, nachdem der Film abgedreht ist.
Keiner da? Der Gendarm ging nach rechts in eine Wohnküche, rief fragend. Und da stand plötzlich dieses Mädchen vor ihm, das er nicht kannte. Er war zuvor noch nie in diesem Haus gewesen. Das Mädchen war vielleicht sechzehn Jahre alt, angetan mit einem oberschenkelkurzen Unterrock an dünnen Spaghettiträgern, barfuss, etwa 165 cm groß, mittelblond, wie er professionell und noch gelassen registrierte. Die stille Schöne – dieser Begriff schoss ihm durch den Kopf – hatte ein Gesicht, das er sich nicht merken würde, nicht merken konnte, abgelenkt von ihrer bemerkenswert aufgeblühten Knospenbrust unter dem dünnen Stoffzeug.

Das Hundertschön lächelte ihn an, war wegen seiner leichten Bekleidung nicht verlegen, benahm sich graziös und ungeniert natürlich.

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