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Die 13. Plage -Leseprobe
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Autor: Ulrich Hinse Eingestellt am: 04.06.2006
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„Na, Herr Raschke, habe ich Sie aus wichtigen Gedanken herausgerissen? Lassen Sie mich teilhaben an den Planungen Ihrer Ermittlungsgruppe oder besser an den Ergebnissen. Ich habe schon lange keine positiven Berichte von Ihnen erhalten.“ Reisingers Stimme klang süffisant. Der Tonfall klang gefährlich.
„Könnte das nicht auch daran liegen, dass Sie so selten hier sind?“
Raschkes unüberlegt schnelle Antwort, noch unter dem Eindruck seiner Gedanken und der vorangegangenen Diskussion, vereiste schlagartig die Gesichtszüge seines Chefs, der spürbar auf Distanz ging. Eine unsichtbare Mauer baute sich zwischen den beiden im Zimmer auf.
„Wenn ich nur solche Mitarbeiter hätte wie Sie, dann könnte ich mir in der Tat meine wichtigen Reisen nicht leisten. Sie, Herr Raschke, sind der Einzige, der seiner Berichtspflicht nur sehr unvollkommen nachkommt. Deshalb komme ich ja schon zu Ihnen. Das muss in Zukunft anders werden. Ich erwarte von Ihnen eine zeitnahe Unterrichtung. Im Übrigen verbitte ich mir unqualifizierte und unsachliche Kritik. Ich glaube nicht, dass Sie in der Lage sind zu bewerten, ob meine Dienstreisen angemessen sind oder nicht.“
Raschke presste die Lippen aufeinander, um sich nicht wieder zu einer unbedachten Äußerung hinreißen zu lassen, während Reisinger mit eisiger Stimme, von Satz zu Satz lauter werdend, fortfuhr.
„Ich will Ihnen in aller Freundschaft etwas sagen, Raschke. Ich hatte Ihnen vor gar nicht langer Zeit deutlich erklärt, wenn Ihr impertinentes Verhalten gegenüber Vorgesetzten nicht schleunigst besser wird, werde ich nicht mehr mit Ihnen zusammenarbeiten. Ihre fachlichen Qualitäten hin oder her. Irgendwann werden wir alle durch irgendjemanden ersetzt. Es gibt ein Dutzend Beamte, die auf Ihre Planstelle scharf sind. Es wäre doch gelacht, wenn ich da nicht jemanden finde, mit dem ich keine Schwierigkeiten habe. Im Übrigen habe ich den Eindruck, Sie haben die Soko nicht mehr im Griff. Da macht der eine oder andere Mitarbeiter, was er will, und nicht, was er soll. Glauben Sie, mir entgeht so etwas? Mir sind bereits mehrere Beschwerden Ihrer eigenen Mitarbeiter zu Ohren gekommen. Auch wenn Sie es nicht gerne hören. Für mich steht deshalb fest, Sie haben Ihre Leute weder im Griff, noch sind Sie in der Lage, Ihre Leute zu motivieren. Das ist keine Personalführung. Hinzu kommt, dass die letzten Lageberichte aus Ihrem Verantwortungsbereich ganz traurige Vorträge waren, was sogar in der Direktion bemerkt wurde. So etwas fällt insgesamt auf mein Haus zurück. Ich lasse mir von Ihnen nicht meine gute Reputation kaputt machen. Ich glaube, Sie tanzen einfach auf zu vielen Hochzeiten. Hier eine Arbeitsgruppe, da eine Präventionsveranstaltung und so nebenbei auch mal Ihre Soko. Sie hätten besser daran getan, sich auf Ihre eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren. So verzetteln Sie sich. Deshalb können Sie auch keine zählbaren Erfolge vorweisen. Außerdem beantragen Sie Dienstreisen, die völlig überflüssig sind. Sie kennen doch die Haushaltslage. Ich hatte bei der letzten Besprechung ausdrücklich darauf hingewiesen, bei Dienstreisen einen besonders strengen Maßstab anzulegen, und da wagen Sie es, eine wirklich nicht notwendige Reise nach Süddeutschland zu beantragen.
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"Ich entschloß mich von dem Standpunkt meiner eigenen
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... Was ist Original? Alles was wir tun, alles was wir
Denken existiert bereits und wir sind nur Vermittler. Das ist
alles. Wir machen von dem Gebrauch was bereits in der Luft ist."
Henry Miller, aus einem Interview in den 60-iger Jahren
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