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Die 13. Plage -Leseprobe
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Autor: Ulrich Hinse Eingestellt am: 04.06.2006
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Seite 2 von 5 Noch war ihm nicht klar, wie er seine Sprengladungen anbringen konnte, so ganz ohne Leitern. Aber je näher sie der Figur kamen, war zu erkennen, dass nicht nur die Höhlen in der Felswand neben der Figur miteinander durch schmale Treppen verbunden waren, von dort führten auch Stufen hinter der Figur in der Felswand nach oben. Schwierig für die richtige Sprengung war aber, dass die Figur nicht frei stand, sie war nur in der Frontpartie aus dem Fels gemeißelt. Boomer schätzte den Sprengstoffbedarf, dann kletterte er die Stufen nach oben, um nach geeigneten Löchern zu suchen, in denen er die notwendige Verdammung erreichen konnte. Er hatte es sich schwerer vorgestellt. So penibel genau die mittelalterlichen Steinmetze in der Frontansicht gearbeitet hatten, so sorglos hatten sie dort gearbeitet, wo es niemand sehen konnte. Es waren genügend Löcher vorhanden. Er zeichnete mit Kreide die Stellen an, in denen von den anderen Taliban der Sprengstoff angebracht wurde. Dann setzte er die Zünder ein, prüfte noch einmal die Verdammung, rollte die Kabel zur Zündmaschine, schloss sie an und wartete auf das Zeichen von Faradsch. Der hatte sich mit dem Führer der zweiten Gruppe verständigt. Ein Kamerateam hatte sich in Bamiyan eingefunden. Es war hinter der Stadt auf einem Hügel postiert. Eine Gewehrsalve tönte durch das Tal. Sie war das Zeichen, dass die Kameras liefen. Der Libyer hob die Hand, wartete einige Sekunden, dann fiel die Hand nach unten. Boomer drückte den Hebel nach unten. Ein Grollen lief durch das Tal. So als ob der Himmel zürnte. Riesige graubraune Staubwolken verhinderten den Blick auf die Felswand mit den Statuen. Steine flogen durch die Luft, polterten auf die Erde und hüpften über den Sand. Nur langsam legte sich der Staub, gab den Blick frei. Dort, wo noch vor wenigen Minuten eine mehr als tausend Jahre alte Buddhastatue in der Felswand stand, gähnte jetzt eine leere, öde Höhle. Die Taliban, die gespannt auf das Verschwinden der Staubwolke gewartet hatten, schrieen vor Freude durcheinander. Freudenschüsse aus ihren Gewehren knatterten durch das Tal, brachen sich an den Felswänden und wurden als Echo wieder zurückgeworfen. Boomer war stolz auf sich. Er hatte es geschafft. Nichts war mehr zu erkennen von einer Figur, noch nicht einmal ein Stumpf. Sie war zu Staub zerblasen. Niemand würde sie rekonstruieren können. Abu Faradsch klopfte ihm begeistert auf die Schulter, dann lief er zu dem anderen Gruppenführer hinüber, während Boomer zur Stadt hinüber blickte. Auf einigen wenigen Häusern standen Einwohner, die sich das Schauspiel nicht hatten entgehen lassen wollen. Sie standen stumm, ohne sich zu bewegen. Ein oder zwei Männer schüttelten drohend oder wütend ihre Fäuste zu ihnen hinüber, verschwanden dann aber schnell zwischen den Hauswänden.
Sie hielten sich nicht lange am Ort des Geschehens auf. Sie setzten sich wieder auf ihre Jeeps, dann ging es nicht zurück in den Norden, sondern Richtung Kabul. Die Gruppe wurde verlegt. In die Nähe von Dschalalabad, fast an der pakistanischen Grenze. Boomer wurde unruhig. Aber Daud, zwischenzeitlich der Vertraute von Abu Faradsch, erklärte, Jenny sei mit einem Teil der Frauen ebenfalls auf dem Weg. Er müsse sich nicht sorgen.
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"Ich entschloß mich von dem Standpunkt meiner eigenen
Erfahrungen zu schreiben, von dem was ich wusste und was ich
fühlte. Und das war meine Rettung...
... Was ist Original? Alles was wir tun, alles was wir
Denken existiert bereits und wir sind nur Vermittler. Das ist
alles. Wir machen von dem Gebrauch was bereits in der Luft ist."
Henry Miller, aus einem Interview in den 60-iger Jahren
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