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200-Meter-Mensch
Autor:
Eingestellt am: 21.09.2005
Seite 2 von 2

Ich zücke die Kamera während mein Kollege mir, immer noch ziemlich blass im Gesicht, mit seiner Maglite leuchtet, damit wir nirgends hineintreten.
Wir fotografieren. Blutflecken, Bremsspuren, Glassplitter, Körperteile, die nicht mehr identifizierbar und über knapp 200 Meter verteilt sind.
Kein schöner Tod. Der Lastwagen sieht vorne ziemlich demoliert aus. Der Fahrer sitzt immer noch fassungslos daneben. Mein Kollege will die Kamera wegpacken, ich schüttele den Kopf, schnappe mir die Maglite und krieche unter den Lkw. Schäden festhalten und weitere Blutspuren sichern. Irgendwas blutig Schleimiges tropft mir auf die Jacke. Ich wisch es stumm weg, als ich unter dem Fahrzeug wieder hervor krieche. Mein Kollege steht nervös rauchend daneben.
Ich krame in meiner Tasche und finde meinen Notfallschokoriegel. Als ich anfange den zu futtern folgen mir ungläubige Blicke. Ich kann nichts dafür, andere rauchen zur Beruhigung, ich futtere Schokoriegel. Ist nun mal so, ist auch nicht makaber, sondern hilft mir meine Nerven zu behalten.
Der Notarzt kommt zu mir.
"Du machst die Skizze?"
"Ja!"
"Komm, ich helfe dir, ich kann dir sagen, was das ist, was hier alles rum liegt."
Wir stapfen los. Ich zerre das Messrad hinter mir her. Er trägt meinen Block und ich zeichne ein, was er mir sagt. Dann beschriftet er. Niere, Rippen, vermutlich Arme, Fuß, Speiseröhre samt Luftröhre, kann ich lesen. Ich schlucke.
Ich krame in meinen Taschen, finde aber keinen Notfallschokoriegel mehr. Mein Chef sieht mich und mein verzweifeltes Gesicht. Er reicht mir einen aufgeweichten Kinderriegel. Ich lächele dankbar und gehe messend und futternd weiter, den Notarzt immer im Schlepptau. Es soll die wohl fieseste Skizze meiner bisherigen Laufbahn werden und das will schon einiges heißen.
Der Leichenwagen ist angekommen. Mit einer Schaufel werden die einzelnen Teile zusammen gebracht. An der Unfallstelle herrscht Stille, jeder arbeitet stumm vor sich hin. Die übliche Hektik fehlt, alle sind zu schockiert. So was hat noch keiner von uns gesehen.
Für den Lkw-Fahrer ist ein Seelsorger eingetroffen, der diesen ins Krankenhaus bringt.
Hinter mir beginnt die Feuerwehr die Reifen des Lkw sauber zu spritzen und geht dann dazu über die Fahrbahn zu reinigen. Mittlerweile wissen wir, wer da vor uns liegt. Haben auf der Brücke ein Auto gefunden. Ein Streifenwagen und weiterer Seelsorger ist unterwegs zur Lebensgefährtin des Toten. Langsam rücken die Streifenwagen und die mittlerweile erschienene Kripo ab. Ein Abschleppdienst lädt den Lkw auf. Wir verlassen die Stelle als letztes. Mein Kollege sitzt neben mir. Sehr schweigsam auf einmal.
"Alles klar?"
"Hm, ich hätte mir gewünscht, mein erster Toter wäre nicht so schlimm."
"Kann man sich nicht aussuchen," sag ich und zucke die Achseln.
Ich denke an den Lkw-Fahrer. Armer Kerl, kann nix dafür und wird wohl nie vergessen, wie der Tote gegen seine Scheibe geflogen ist.
Ein bisschen bin ich dem Menschen böse, dass er sich nicht eine andere Art ausgesucht hat, aus dem Leben zu gehen.


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