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Bodos ziemlich wahre Schmunzelgeschichten
Autor: Bodo Doering
Eingestellt am: 29.08.2005
Seite 2 von 2

2. „Komma, obwohl“

Als ich von meinem Büro kommend den Erdgeschossflur betrat, vernahm ich die Stimmen zweier Kollegen, deren Zimmertür offen stand und die irgendein Problem zu lösen schienen. Beim Vorbeigehen grüßte ich hinein und wurde sofort ins Zimmer gebeten.
Philipp, der eine Kollege, saß an seinem Schreibtisch vor der Schreibmaschine und starrte auf ein eingespanntes Blatt Papier. Der andere Kollege, Schorsch, stand Philipp gegenüber. Ihre beiden Schreibtische waren wie üblich gegeneinander gestellt.
„Kollege, vielleicht kannst du uns helfen“, begann Schorsch mich dabei anblickend. Er hatte seine Stimme angehoben, was er immer dann tat, wenn er besonders unbeteiligt an etwas erscheinen wollte: „Der Philipp hat einen Bericht begonnen, gestern schon, und wollte ihn heute fertig schreiben. Jetzt kommt er nicht weiter. Ich habe auch schon alles überflogen und überlege nun ständig, was da fehlen könnte, ehrlich. Mir fällt aber nichts ein. Vielleicht schaust du mal?“
Ich kannte Schorsch, den Philipp ebenfalls. Beide ließen keine Gelegenheit aus, sich auf Kosten anderer zu amüsieren. Es war auch an Schorschs Stimme für mich herauszuhören, dass hier ein neckisches Spielchen angesagt war, von Philipp wohl noch nicht erkannt.
„Ja, Kollege“, Philipp lud mich an seinen Tisch ein, „kannst du mal in meinen Bericht schauen? Es ist nicht zu fassen. Ich weiß nicht mehr, was da hin sollte. Lies doch mal, vielleicht weißt du, was ich schreiben wollte?“
Ich schaute forschend zu Schorsch hinüber, der ein leichtes Grinsen kaum zu verbergen vermochte. Hinter Philipp tretend sah ich zur Schreibmaschine mit eingespanntem Papier und hinuntergebeugt zum Schreibmaschinenblatt, und ich vertiefte mich in den Text – irgendeine dienstliche Berichtssache. Dabei gelangte ich an das Textende und sah, dass Philipp seinen Bericht auf halber Seite offensichtlich nicht fertig geschrieben hatte. Dieser endete nach einem Komma mit dem Wort „obwohl.“ Nach dem Buchstaben „l“ des Wortes „obwohl“ alles leer, kein weiterer Text.
Auch mir gelang keine Vollendung dessen, was Philipp begonnen hatte. Ich wollte dies auch eigentlich nicht, sondern wartete eher, wie es nun weiter ginge. Schorsch meldete sich wieder und stellte im Hinblick auf mein offenkundiges Unvermögen befriedigt nochmals fest, dass ja auch er nicht hat helfen können. Sich an Philipp wendend hielt er diesem vor:
„Jetzt sag mir mal, warum hast du denn den Satz nicht zu Ende geschrieben – gestern? So pünktlich muss man ja nicht nach Hause. Einen Satz oder Gedanken kann man doch noch fertig schreiben, dann passiert das nicht!“
Mit seinem Unvermögen hadernd, versuchte sich Philipp wieder in den Text zu vertiefen. Er schien nicht akzeptieren zu wollen, dass er des Satzes Sinn nicht erfasste.
„Eigentlich hätte der Satz aber doch gestimmt, wenn das Komma und das Wort: ,obwohl‘ nicht stünden. Was hatte ich mir da nur gedacht? Da muss doch ein wichtiger Gedanke gewesen sein!“, Philipp sprach vernehmlich und doch mehr zu sich selbst und schüttelte zum wiederholten Male den Kopf.
Wieder das Grinsen von Schorsch, dem die Situation sichtlich Spaß machte. Dann das typische Rollgeräusch der Schreibmaschinenwalze, wenn sie sehr eilig gedreht wurde. Philipps Hand hatte den eingespannten Bogen am oberen Rand ergriffen und mit Ruck aus der Maschine gezogen. Mit Zorn zerriss er diesen, zusammen mit dem Kopierbogen und dem Durchschlag und warf alles in den Papierkorb. Dann sprang er auf: „Jetzt hole ich mir erst mal einen Kaffee. Wollt ihr auch einen?“ Wir dankten zustimmend. Er hatte das Zimmer verlassen.
„Was hast du gemacht, Schorsch? Irgendwie hast du doch...?“ Ich kannte seine Lust am Schabernack. Und wieder mit der leicht angehobenen Stimme erklärte er: „Weißt du, der Philipp rennt zum Dienstschluss immer auf die Sekunde genau aus dem Zimmer. Da kannst du die Uhr nach stellen, ob der mit seiner Arbeit fertig ist oder nicht. Der lässt grad‘ alles stehen und liegen. Und gestern, als er aus dem Zimmer war, da habe ich in seinem Schreibtext nach dem letzten Satz den Punkt mit einem Komma überschrieben und ,obwohl‘ hinzugefügt. – Sonst habe ich überhaupt nichts gemacht.“

„Bodos ziemlich wahre Schmunzelgeschichten“, DIN A 5, 172 Seiten, 34 Geschichten, jeweils illustriert von Maria Walter, Bad Saulgau, EUR 9,90. ISBN 3-00-008504- zu beziehen Buchhandel oder direkt beim Autor: Fax: 06201-874288


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