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Artikel in der Hohenloher Zeitung vom 21.8.03:
Von Matthias Stolla
Blicke unter blickdichte grüne Haut
Warum sehen so viele Menschen in der Polizei einen Gegner? Weil kaum
jemand weiß, was in Polizisten vorgeht, meint ein Beamter aus Hohenlohe
und hat deshalb die Polizei-Poeten gegründet.
Polizisten schreiben viel: über Mörder, Selbstmörder, Unfallopfer,
Vergewaltiger. Fakten für die Akten. Für Gefühle oder Selbstzweifel ist
in den Berichten kein Platz. Polizisten reden auch: mit Kollegen,
Angehörigen und Freunden. Selten kommt zur Sprache, was die Beamten
wirklich bewegt. "Du lässt die Diensthose vor der Türe, um die Leiche
nicht mit in dein Haus zu bringen", sagt Volker Uhl (41).
Der Kriminalhauptkommissar aus dem Kochertal kennt das Problem.
Polizisten sehen viel Schreckliches. "Wenn wir zum Tatort kommen,
müssen wir mit allen Sinnen Spuren wahrnehmen", erklärt er.
Irgendwann finde jeder Polizist "den Knopf", mit dem sich die
eigenen Gefühle wegdrücken lassen. Mit der Zeit werde es aber
immer schwieriger, den anderen Knopf zu finden, mit dem sie sich
einschalten lassen. Uhl: "Am Ende bis du mit deinen Gefühlen allein."
Einsam und unverstanden - gescheiterte Polizisten-Ehen sind im TV nicht
umsonst Dauerthema. Volker Uhl ist in Sindringen geboren, in Ernsbach
aufgewachsen. 1979 kam er zur Polizei, nach der Ausbildung zum
damaligen Kommissariat Künzelsau. Streifen- und Postendienst in der
Kreisstadt, in Forchtenberg und Neuenstein folgten, ehe Uhl 1986
kündigte. Ein Jahr lang war er auf Studienreise im Ausland unterwegs
und jobbte danach im Kochertal, ehe er im Oktober 1988 wieder zur Polizei ging: nach Ludwigsburg. Wirtschaftskriminalität ist sein Gebiet, im Nebenamt ist er zudem Konfliktberater, also Ansprechpartner
für Kollegen nach " belastenden Einsätzen". Er lebt mit Familie in
Hemmingen.
Zum Schreiben kam Uhl erst spät: "Vor fünf, sechs Jahren kam ein
Kollege mit einem Mann, der gerade seine Frau erschossen hatte.
Mein Job war die Vernehmung. Ich war ihm dabei so nahe und musste
dennoch Distanz wahren, um meine Arbeit richtig zu machen." Uhl
begann aufzuschreiben, was ihn bewegte. Für sich, nicht für die
Akten. Das erste Coming out wagte er bei der Weihnachtsfeier vor
seinen Kollegen: "Ich habe Gedichte vorgelesen. Das war ein Schritt."
Ermutigt von der positiven Resonanz, schloss er sich einer
Schreibwerkstatt an. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften
sowie weitere Lesungen folgten und schließlich die Idee: "Das ist
auch etwas für andere."
Das geeignete Medium fand er im Internet mit seiner eigenen
Homepage. An die 80 Texte sind dort zu lesen von über 20 Autoren.
"Vom Polizeimeister bis zum Inspekteur der Polizei a. D. sind alle
Dienstgrade vertreten", freut sich Uhl und wünscht sich weitere
Beiträge: "Familiendrama in der Pfalz - drei Tote, Bauernfamilie
ertrinkt in der Jauchegrube. Hinter jeder Schlagzeile steckt ein
Polizist ", weiß Volker Uhl. "Wer schreiben will, soll mir auf
jeden Fall eine E-Mail schicken." Schreiben sollen die Kollegen
"in erster Linie für sich selbst und merken, dass es ihnen gut
tut", sagt Uhl. Aber auch die Außenwirkung ist ein gewünschter
Nebeneffekt, der Blick unter die ansonsten meist blickdichte
grüne Haut: " Angehörige bekommen Antworten auf die Frage: Was
für einen Job macht eigentlich der Vater, Partner, Bruder, Freund? "
Der nächste Schritt: Uhl sucht Autoren für ein Buch mit
Polizeigeschichten: "Stille Helden". "Das Buch wird in der
Öffentlichkeit für Wertschätzung und Verständnis werben", sagt
der Gründer der Polizei-Poeten. Und weil er nach 24 Dienstjahren
seinen Humor nicht verloren hat, verrät er einen nicht ganz ernst
gemeinten Arbeitstitel: "Schimanski hatte Depressionen".
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... Was ist Original? Alles was wir tun, alles was wir
Denken existiert bereits und wir sind nur Vermittler. Das ist
alles. Wir machen von dem Gebrauch was bereits in der Luft ist."
Henry Miller, aus einem Interview in den 60-iger Jahren
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